Alle Jahre wieder, immerhin schon seit 12 Jahren, fahren der beste Ehemann der Welt und ich zum Karneval nach Venedig. Der Aigner verkleidet sich gar nicht gerne, macht dafür aber umso lieber Fotos mit seiner sündhaft teuren Kamera. Ich, die Aignerin, wiederum verwandle mich gerne für ein paar Stunden in einen goldenen Engel oder verrückten Hutmacher oder in ein Candy-Girl. Es ist wie eine Flucht aus dem alltäglichen Trott. Eine erquickliche Abwechslung in der grauen Routine.
Dieses Jahr gibt es jedoch einen erheblichen Unterschied: Dieses Jahr haben wir einen Pudel. Wir haben einen Pudel und wir werden ihn benutzen… und das im besten Sinne!
Die Vorbereitungen beginnen schon Monate zuvor. Ein Kostüm für den Karneval zu nähen ist eine aufwendige Sache. Heuer sind es sogar zwei Kostüme, die ich nähen werde, denn selbstverständlich bekommt Miss Sophie ihr Outfit für den Karneval passend zum Rest unserer Gruppe.
Und so kam es, dass 4 erwachsene Menschen und ein kleiner Pudel in einer kalten Nacht im Februar am Hauptbahnhof in Wien standen und voller Ungeduld auf den Nachtzug nach Venedig warteten.
Miss Sophie mag ja nicht gerade ein Routinier bei längeren Zugreisen sein, aber geübt haben wir vorher natürlich schon. Und was soll ich sagen: Ein Profi ist geboren! Kaum im Zugabteil angekommen, wusste sie ihren Platz am Kopfpolster sofort einzunehmen. Mein obligatorisches: „Aber das ist mein Polsti.“ ignorierte sie genauso wie im heimischen Schlafzimmer. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, sie hat sich gleich wie zu Hause gefühlt. Es folgten atemberaubende Sprünge von einem Bett zum anderen, aufmerksames Beobachten der vorbeiziehenden Landschaft, gekrönt von kleinen Leckerbissen vor der anstehenden Nachtruhe. Ich konnte mir einen Teil des Kopfkissens sanft zurückerobern und mein Abendgebet widmete ich dem Wunsch, dass Miss Sophie sowohl ihre Blase als auch ihren Darm bei dem langen Zwischenstopp in Salzburg ausreichend entleeren könne.
Mein Gebet wurde erhört. Der Pudel hielt dicht. Noch ein schnelles Danke-Gebet und während wir uns alle noch den Schlaf aus den Augen rieben, brachte uns die freundliche Zugbegleiterin auch schon unser Frühstück ins Abteil. Und während wir uns die österreichische Butter auf unsere Semmerln schmierten und das Kakaopulver im heißen Wasser auflösten, wackelte der Zug mit uns Richtung Lagune. Next Stop: Santa Lucia. Der Bahnhof von Venedig.
In Venedig anzukommen hat etwas Magisches. Wenn man die Nase an das Zugfenster drückt, kann man die Stadt im Morgendunst schon früh erkennen. Italiens Hauptstadt Rom, fällt mir da ein, trägt den wunderhübschen Beinamen „Die ewige Stadt“. Venedig geht unter. Das Wasser steigt, die Stadt sinkt. Die Häuser Venedigs liegen heute fast einen Meter tiefer als früher. Der stetige Kampf der Stadt gegen das Salzwasser gleicht der griechischen Sage von Prometheus. An einen Felsen gefesselt wird der Sohn der Titanen jeden Tag von einem Adler aufgesucht, der von seiner Leber frisst, die sich danach stets erneuert.
Doch von all diesen Dramen weiß Miss Sophie natürlich nichts und so hopst sie frohgemut ihre ersten Schritte am Bahnsteig herum. Wir Menschen hopsen nicht, wir schleppen unser ganzes Gepäck erst einmal zum Taxistand gleich draußen vor der Bahnhofshalle. Es sind nur ein paar wenige Meter, aber die haben es mit all unseren Koffern und Taschen und Rucksäcken in sich… während unsere Pudel-Prinzessin die komplette Reichweite ihrer Leine ausnutzt, um alles zu beschnüffeln.
Und ja, man kann Glück doch kaufen. Zum Beispiel mittels einer Taxifahrt über die Kanäle der Lagunenstadt. Jetzt sind wir wirklich angekommen und fühlen uns wie die Filmstars, wenn wir am Heck des Bootes stehen und gierig alles in uns aufsaugen was diese einzigartige Stadt von der ersten Minute an zu bieten hat. Ihre Brücken und Balkone, vorbei am Fischmarkt, hinein in die engen Häuserschluchten mit den orientalischen Fensterbögen bis hin zum dem Platz Santa Maria Formosa, wo für uns Endstation ist und wir alles wieder vom Boot ausladen.
Nun heißt es warten. Unser Apartment ist erst ab 14 Uhr bezugsfertig. Es ist 9.30 Uhr.
Zeit für die erste heiße Schokolade! Und ich meine damit nicht das wässrige Gesöff wie bei unserem Frühstück zuvor. Nein! Heiße Schokolade in Venedig ist eine süße, cremige Verführung, die man löffelweise genießt und dabei von euphorischen Hochgefühlen in himmlische Sphären getragen wird. Das ist Schokolade in Venedig. Niemand darf Venedig verlassen ohne diese Köstlichkeit probiert zu haben! Ein weiterer Must-Drink wurde hier sogar erfunden: Aperol Sprizz. In Venedig trinkt man ihn klassisch mit einer Olive. Beide harmonieren hervorragend am Gaumen und werden umgehend bestellt. So geht Urlaub! Wir sitzen im Februar bei strahlend blauen Himmel unter der italienischen Sonne in einem kleinen Cafe, warm eingepackt und tanken dabei Vitamin D, Schokolade und Alkohol.
Gut, wird der geneigte Leser einwenden, ein Heißgetränk und ein paar Schluck Alkohol sind jetzt nicht unbedingt geeignet, um eine 4,5 stündige Zeit des Wartens zu überbrücken. Das stimmt. Aber glücklicher Weise liegt unser kleines Cafe an einem allseits stark frequentierten Platz und viele der Touristen, die dort vorbei spazieren sind alte Bekannte aus unserer lieb gewonnenen Venedig-Familie. Immer mehr Tische werden zusammengestellt. Man fällt sich gegenseitig in die Arme, setzt sich dazu und erfährt den neuesten Klatsch vom Karneval. Es herrscht ein Kommen und Gehen, Termine werden ausgemacht, Miss Sophie wird huldvoll bewundert und ausreichend gestreichelt, und allesamt erliegen wir der Freude unseres Wiedersehens. Das meine lieben Freunde ist es, was für uns den Karneval zu dem zauberhaften Ereignis macht: Die Begegnungen mit Menschen, die uns über die Jahre ans Herz gewachsen sind. Wir kennen weder die politische Einstellung, oftmals nicht den Beruf und schon gar nicht die religiöse Glaubensrichtung. Uns verbindet die Liebe zum Karneval. Seine Masken und seine Fotografen. Mit der schönsten Kulisse der Welt. In der einzigartigsten Stadt im ganzen Universum.
Es ist kurz vor 14 Uhr. Einmal noch schleppen. Angenehmerweise liegt unser Apartment im 1. Stock und der Weg ist nicht weit. Zack, rein in die Hütte. Zack, alle Koffer und Taschen und Rucksäcke ausgepackt (naja… so Zack ist das eigentlich gar nicht). Zack in den Supermarkt Kaffee und Milch kaufen. Zack, Zack rutscht mir die Zuckerdose aus der Hand und zerspringt in tausend Scherben am Terrazzoboden. Also Zack nochmal in den Supermarkt und Zucker kaufen. Aber dann trinken wir schon unseren ersten Kaffee auf unserer Terrasse und beteuern uns gegenseitig unsere Dankbarkeit, dass das Leben so schön ist. Miss Sophie legt sich sicherheitshalber gleich mal auf den Kopfpolster in unserem Bett, nur damit da keine Missverständnisse aufkommen und der Aigner sucht wie immer verzweifelt eine geeignete Steckdose für seine Ladegeräte. Jetzt sind wir wirklich angekommen. Und müssen auch schon wieder weg. Unsere Karnevals-Omi hat gekocht und wir alle sind eingeladen, bei unserer Omi zu Abend zu essen… wir müssen los!
In diesem Sinne…
Gruß und Kuss
Die Aignerin
Ihr Lieben
Herzlichen Dank für die unterhaltsam geschriebene Geschichte und die hübschen Bilder. Achtung! Das macht die Leser süchtig, und sie können schnell mal für MEHR, MEHR betteln. Das ist eure Schuld, also beklagt euch nicht!
Tausend Bilder laufen in Kopf und Herz ab, wenn man das liest. Bilder, die man nie vergessen wird und die einem das Leben bereichern.
Bin gespannt auf alles Weitere.
Herzlich grüssen euch Zwei- und Vierbeiner eure
Evelyne
Liebe Evelyne!
Danke für Deine motivierenden Worte! Ich schreibe weiter und hoffe, ihr habt auch so eine Freude daran wie ich.
Liebsten Gruß
Die Aignerin und Miss Sophie