Liebe Freunde!
Es gibt verschiedene Gründe, weshalb die Menschen zum Karneval nach Venedig fahren. Die einen tanzen auf sündhaft teuren Bällen und feiern wild die ganze Nacht hindurch, andere wiederum treffen sich am Nachmittag zu privaten Partys und trinken heiße Schokolade und wir, wir fahren nach Venedig, um lieb gewonnene Freunde aus aller Herren Länder zu treffen und mit ihnen tolle Fotos zu machen. Schon Monate zuvor, das Kostüm ist noch lange nicht fertig, beginnt sich unser Terminkalender zu füllen. Ich gebe zu, wir sind im Laufe der Jahre fauler geworden und gönnen uns mehr Pausen zwischen den einzelnen Shootings. Fotografen und Masken wurden in den letzten 12 Jahren zu Freunden, und wir treffen uns nur ein einziges Mal im Jahr, da ist Zeit das kostbarste Gut. Es geht eben nicht nur um schöne Bilder sondern ganz besonders um das Treffen mit guten, alten Freunden.
Heuer liegt meine größte Freude in der Tatsache, dass Miss Sophie das erste Mal mit dabei sein kann und ich, ebenfalls zum ersten Mal, mit einem Ring an meinem Finger – als Frau Aigner – in die Lagunenstadt reise. Und weil im Vorfeld leichte Vorwürfe laut wurden „Aber ihr müsst doch in Venedig heiraten!“, haben wir für dieses Jahr eine Hochzeitsfeier im kleinen Rahmen geplant. Nur 38 Personen zusätzlich in unserem Appartement. Lächerlich! Das schaffen wir locker! Wir brauchen nur einen kleinen Koffer über das übliche Gepäck hinaus für die Gewürze und das Fleisch und die Deko und Sternsprüher und das Outfit und das Besteck und die Gläser und kleine Gastgeschenke brauchen wir natürlich auch. Den Rest besorgen wir vor Ort. Der beste Ehemann der Welt lächelte milde ob meines Vorhabens, schüttelte dann den Kopf und fügte sich, wieder einmal, in sein Schicksal.
Doch bis die Party steigen kann, gilt es erst einmal dem wahren Grund unserer Reise zu frönen. Freunde treffen und geile Fotos machen. Und da darf ich voller Stolz verkünden, wir haben mit Prosecco und unserem legendären Charme viele der besten Fotografen der Welt angeködert. Voller Vorfreude schlüpfen wir Stück für Stück in unsere Kostüme. Korsagen werden gebunden, die Augen schwarz geschminkt, Röcke und Strümpfe angezogen, Perücken zurecht gezupft, Halskrausen angelegt und zu guter Letzt braucht es noch Handschuhe und Schmuck. Miss Sophie liegt derweil geduldig auf dem Bett und beobachtet aufmerksam das Geschehen. Und das dauert. Mit ein bisschen Routine etwas über 45 Minuten. Aber dann geht es los, und wir können unsere Kreationen das erste Mal in den Strassen von Venedig präsentieren.
Eines ist von Anfang an klar: Miss Sophie liebt es und ist der Star. Neidlos müssen wir anerkennen, dass es niemand von uns mit ihr aufnehmen kann. Wie ein alter Hase posiert der kleine Pudel professionell vor der Kamera. Im Minutentakt werden kleine Leckerlis verfüttert, denn die Gage für so ein Supermodel liegt sehr hoch. Da darf man nicht am falschen Ort sparen! Wir laufen durch die kleinen Gassen, posieren und es zeigt sich, dass Venedig nichts von seinem Zauber eingebüßt hat. Stunden werden zu Tagen, es ist ein ständiges An- und Ausziehen, weg gehen und wieder nach Hause kommen, verschnaufen und Vollgas geben. Dazwischen schläft man ein paar Stunden, putzt sich die Zähne und schlüpft wieder ins Kostüm. Urlaub ist anders!
Doch einen Vormittag habe ich uns frei gehalten. Da steht kein Fotoshooting im Kalender sondern Shopping! Nein, nicht für mich, sondern, eh klar, für Miss Sophie. Der Aigner hat den großen Fehler begangen und mir zum Geburtstag einen Gutschein für ein Outfit für Miss Sophie geschenkt. Für die wohl teuerste Hunde Boutique in ganz Venedig. Unsere liebe Freundin Pü hat sie für mich ausfindig gemacht, und so rücken wir gleich nach dem Frühstück aus, um mal so richtig Geld auszugeben. Und wenn ich sage, richtig Geld ausgeben, dann meine ich damit ein kleines Vermögen.
Das kleine Ecklokal ist bis an die Decke gefüllt mit exklusiver Ware für den modebewussten Hund. Am Verkaufspult befindet sich eine gepolsterte Drehplatte, da kann Miss Sophie bequem Mäntelchen, Kleider oder Hoodies anprobieren, damit ich sie dann im Anschluss von allen Seiten zu bewundern. Beim Anblick des ersten Preisschildes bleibt mir kurz der Atem weg. Der kleine handgestrickte Pullover mit Swarovski Kristallen um lächerliche Euro 280,- wird wohl nicht in die Einkaufstüte wandern. Der Aigner, etwas blass um die Lippen, erkennt seinen Leichtsinn und resigniert mit den Worten: „Da ich ja den Fehler begangen habe, für ein Outfit zu bezahlen, werde ich wohl für das Teuerste aufkommen müssen.“ Damit hat sich mein Handlungsspielraum blitzartig erhöht und der Verkäufer bringt unaufhörlich Nachschub. Eineinhalb Stunden später verlasse ich überglücklich den Laden und der Aigner weiß immer noch nicht wie ihm geschieht. Wir sind insgesamt um Euro 790,- ärmer, aber Miss Sophie ist schick wie nie zuvor!
Und dann ist er auch schon da. Unser großer Abend. Die Hochzeitsparty steigt heute Nacht! Zwölf Kilo Schweinebraten verschwinden für 6 Stunden im Backrohr. Snacks werden in goldenen Pappschalen verteilt, Prosecco aus der Bottega eingekühlt, Deko aufgehängt, Sessel und Tische zusammen gestellt und der Ablauf geprobt. Am Vormittag waren wir noch beim großen Maskentreffen auf der Salute und ein paar Stunden später schlüpfe ich noch einmal in mein Hochzeitskleid. Ich bin nervöser als beim ersten Mal! Ich stehe mit meinen Brautjungfern und meiner Mama im Schlafzimmer. Alex holt die Gäste von der Santa Maria Formosa ab und gleich danach ist unser Appartement erfüllt von Stimmengewirr in den verschiedensten Sprachen. Jetzt bin ich noch mehr nervös. Ja, es ist mir regelrecht peinlich, ich bekomme Gänsehaut und feuchte Augen. Plötzlich wird es ganz still und dann höre ich die Musik für den Braut-Einzug. Showtime! Ich darf noch einmal auf den besten Ehemann der Welt zugehen, wir sagen nocheinmal „Ja“ zueinander und wir stecken uns die Ringe an den Finger. Wir lesen unsere Eheversprechen und Küssen uns. Es wird gelacht, geweint, applaudiert, gegessen, getrunken und geplaudert. Es ist einer dieser magischen Momente im Leben, rundherum glückselig und getragen von Liebe und Freundschaft. Aber der krönende Abschluss kommt noch. Die Sternsprüher werden an alle Gäste verteilt und die gesamte Gesellschaft wandert durch das nächtliche Venedig, versammelt sich auf einer romantischen Piazza und mein Mann und ich tanzen im Funkenregen der Sternsprüher unseren Hochzeitstanz. Dafür gab es dann sogar Applaus aus den Fenstern der umliegenden Häuser.
So außergewöhnlich dieser Karneval bis jetzt auch gewesen ist, niemand hätte sich auch nur annähernd vorstellen können, was noch auf uns zukommen sollte. Denn dieser Karneval wird nicht nur in unseren persönlichen Erinnerung einen besonderen Platz einnehmen, sondern in unser aller Leben einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Sonntag der 23. Februar teilt unser aller Zeitrechnung in ein Davor und in ein Danach. Er begann jedoch ganz so wie immer, so wie jeder Sonntag vor dem Aschermittwoch, den wir traditionell der Foto-Workshop-Gruppe von Tim und Gilly in Burano verbringen. Für den Weg dorthin gönnen wir uns eine Fahrt mit dem Wassertaxi und fühlen uns dabei wie Luxusgeschöpfe. Zwischen den bunten Häuserfassaden macht das Fotografieren doppelt Spaß, vor allem wenn die Sonne vom Himmel lacht. Nichts deutete auf die kommende Katastrophe hin. Bis zu jenem Augenblick, als das Handy meines Göttergatten läutete und sich seine Miene im Laufe des Telefonats zunehmend verfinsterte. Der Grund: 2 Dörfer in der Lombardei und ein Dorf in Veneto wurden abgeriegelt und stehen ab sofort unter Quarantäne. Der dringende Aufruf unserer Freunde aus der Heimat: Schaut, dass ihr so schnell wie möglich nach Hause kommt! Venedig wird abgeriegelt, bald kommt niemand mehr von dort weg. Damals, an jenem Sonntag, verließ nur einer von uns fluchtartig die Insel. Der Rest von uns dachte an unnötige Panikmache und ich verfluchte die Regenbogenpresse ob ihrer reißerischen Berichterstattung.
Auch wir haben unsere Reise zum Karneval vorzeitig abgebrochen. Aber bevor uns der Nachtzug wieder nach Wien gebracht hat, sind wir an unseren geliebten Lido gefahren, um diesem arglistigen Virus mit dem besten zu kontern was wir haben: Lebensfreude und Veuve Cliquot!
Heute sitzen wir zu Hause. Wir dürfen unsere Freunde nicht mehr besuchen, müssen beim Einkaufen einen Mundschutz tragen, in Wien werden Notlazarette in Messehallen errichtet, die Schulen sind geschlossen und die gesamte Weltwirtschaft steht vor einem Kollaps. Die Tage in Venedig sind wie eine surreale Erinnerungen an Zeiten, als alles noch von Leichtigkeit durchdrungen war.
Haltet die Ohren steif und bleibt sauber!
Gruß und Kuss
Die Aignerin
Liebe Daniela
Einmal mehr herzlichen Dank für die bunte und so treffende Berichterstattung des ganz besonderen Tags und aller Feierlichkeiten. Mit der Zeit werden die schlechten Erinnerungen verblassen und das Schöne wird bleiben.
Mit ganz vielen herzlichen Grüssen
Evelyne
Liebe Evelyn!
Der Karneval ist einzigartig. So wie die Freundschaften die man dort knüpft….
Dickes Bussi
Die Aignerin